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Gaslighting oder Gasmangel?

von Carlo Krause

Als Gaslighting bezeichnet die Psychologie eine gezielte Desinformation und Manipulation, die zu einer tiefen Verunsicherung und einem Realitätsverlust führt. Gaslighting konnten wir bereits im Zusammenhang mit den Coronamaßnahmen beobachten. Schon da wurden die Menschen von den verantwortlichen Politikern und medial mit Desinformation überhäuft. Ob das gezielt und manipulativ geschah, ist in letzter Instanz nicht bewiesen, allerdings ist auffällig, dass in nicht nachvollziehbarer Weise gegen alle zuvor geltenden Regeln und gegen epidemiologische Erkentnisse agiert wurde.

Ich frage mich seit Ende letzten Jahres, als die Preise an den Großhandelsmärkten für Strom und Gas bereits explodierten, ob jetzt für den Energiebereich etwas ähnliches inszeniert wird. Die Bundesnetzagentur (BNA) könnte als weisungsgebundene Bundesoberbehörde eine ähnliche Funktion beim Thema Gas bekommen wie die andere weisungsgebundene obere Bundesbehörde RKI beim Thema Corona. Die Gefahr besteht, dass sich vergleichbar fatale Zirkelschlüsse ergeben, wenn ldie BNA ähnlich wie das RKI als neutrale Institution hingestellt wird, auf die Medien verweisen und – viel schlimmer – Gerichte Bezug nehmen, falls es im Zuge geplanter massiver Preisaufschläge zu Klagen kommt.

Kennt eigentlich jemand das Energiesicherungsgesetz (EnSiG)? Dieses könnte bald so prominent werden wie das Infektionsschutzgesetz, das bis vor zweieinhalb Jahren nicht einmal in Fachkreisen relevant war. Juristen sollten sich vorbereiten. Denn das EnSiG, das nach Beschlussfassung im Bundestag und Zustimmung im Bundesrat am 8. Juli dieses Jahres eilig geändert wurde, weist der BNA eine zentrale Rolle im Rahmen des Monitorings über Preisanpassungen zu (§ 25 EnSiG). Der Rest funktioniert auf dem Wege der Rechtsverordnung durch die Bundesregierung (§ 26 EnSiG). Der Rechtsanwalt Dr. Liese hält das Gesetz für „handwerklich schlecht“ gemacht und fragt sich, was im Rahmen einer Preisanpassung ein angemessenes Niveau sei. Die Rechtsanwältin Dr. Vollmer sagt voraus, dass am Ende Gerichte entscheiden müssen. Wie das in der Praxis funktionieren kann, haben wir bei Corona gesehen. Der Zirkelschluss lässt grüßen.

De facto gibt es eine politisch herbeigeführte Gasmangellage in Deutschland. Nord Stream 2 wird aus politischen Gründen die Genehmigung verweigert. Es finden jahreszeitlich übliche Wartungsarbeiten mit geplanten Liefereinschränkungen auf Nord Stream 1 statt. Weitergehende diffus berichtete Lieferkürzungen sind offensichtlich einer Sanktionspolitik geschuldet. Im Moment scheint noch hinreichend Erdgas verfügbar, so dass Speicher normal befüllt und sogar zusätzlicher Strom aus Gaskraftwerken für den Export nach Frankreich erzeugt werden kann. Auf diesbezügliche und weitere Ungereimtheiten wurde bereits in diesem Artikel hingewiesen.

All diese Sachverhalte werden von den verantwortlichen Politikern und den Medien regelmäßig verschwiegen oder im günstigsten Fall so verklärt dargestellt, dass es kaum jemand versteht. Man lenkt die Aufmerksamkeit auf ver-klärende statt er-klärende Detailaspekte. So wird mal über Speicherfüllstände berichtet, mal über Lieferreduzierungen auf Nord Stream 1 – ohne den Menschen die Gesamtsituation verständlich zu erläutern. Das hat für mich sehr wohl bereits manipulativen Charakter. Gleichzeitig sind die Menschen in große Verunsicherung versetzt, weil sie nicht abschätzen können, was an Energiepreiserhöhungen demnächst auf sie zukommt. Möglichkeiten der Abhilfe werden einseitig auf sie selbst verlagert (Gas sparen, Temperatur reduzieren, kalt duschen etc.) Dass das politische Personal auf diplomatischem Weg in Richtung Russland und im Sinne der Bürger aktiv werden könnte bzw. müsste, um die Versorgungssicherheit weiterhin zu gewährleisten, wird nicht thematisiert. Radio Bremen veröffentlicht inzwischen sogar einen eigenen Schwerpunkt der Desinformation zum Energiethema. Ich nenne es Desinformation, weil auch hier verheimlicht wird, dass die Energiesituation eine politisch bewusst herbeigeführte und durch die Politik zu verantwortende ist. Kritische Fragen zu anderen Handlungsmöglichkeiten der verantwortlichen Politiker fehlen.

Rekordgewinne für die Energieunternehmen – Wärmehallen für die Bevölkerung

Auf Telegram fragt Sven Böttcher etwas ketzerisch, aber nicht weniger treffend: „Nur zu meinem Verständnis: Wir müssen den Gashändler Uniper (E.ons ‘Bad Bank’ seit 2016) retten mit einem ‘Bailout’, indem wir eine Umlage zahlen (daraus resultiert dann eine Verdreifachung unserer Heizkosten, laut DIW) … öhm. Wie schafft man (Uniper) es denn bitteschön, als Gashändler mitten in einer Hochpreisgasblase PLEITE zu gehen, während alle anderen Gashändler gerade zu Ungunsten der Kunden ihre Gewinne verfünffachen?“. Die großen Energiekonzerne wie Exxon, Chevron, Shell oder Total machen gerade ordentlich Kasse, und dem Energieversorger Uniper wird die Erlaubnis zum zusätzlichen Abkassieren über das frisch geänderte Energiesicherungsgesetz geöffnet. All das reicht aber offenbar nicht aus. Zusätzlich muss der Staat noch mit Steuergeldern direkt den Fortbestand des Unternehmens sichern.

Das politische Personal, allen voran Bremens Bürgermeister Dr. Bovenschulte, lenkt ab, indem wenig zielführende Scheindebatten initiiert werden. Es muss doch klar sein, dass die überproportionalen Gewinne zu den internationalen Spielern in dem Geschäft fließen, auf die nicht einmal ein Bundekanzler Scholz steuerlichen Zugriff haben dürfte, selbst wenn er es wollte. Die Diskussion über die Übergewinnsteuer ist nichts anderes als ein weiteres Ablenkungsmanöver, wo sich die politischen Parteien vordergründig im Sinne ihrer Klientel argumentativ und ohne wirkliche Folgen austoben können. Dem großen Unternehmen Uniper werden doch gerade von der Regierung über das EnSiG höhere Profite durch die Möglichkeit kurzfristiger Preiserhöhungen beschert. Sind wir eigentlich im Irrenhaus?

Der Chef des hiesigen Energieversorgers (swb), Dr. Torsten Köhne, empfiehlt derweil, die Menschen in Wärmehallen zu verbringen, um sie vor dem Erfrieren zu retten. Das ist dann wohl gelebte Solidarität „im besten Deutschland, das es jemals gegeben hat“. Daher abschließend noch einmal: Diese hohen Energiepreise sind politisch gemacht. Der Bremer Landesverband der Partei dieBasis hat in einer Presseerklärung bereits vorzeitig auf die politisch möglichen Handlungsfelder hingewiesen, um weiteren Schaden von den Bürgern abzuwenden.

Die Bundesregierung weiß genau, dass wir ohne russisches Erdgas mittelfristig nicht auskommen werden. Eine Ersatzversorgung aufzubauen, dauert drei bis fünf Jahre. Es wäre politisch redlich, wenn die handelnden Akteure zumindest deutlich darauf hinwiesen, dass sie die Verantwortung für die Situation übernehmen und den Bürgen und der Wirtschaft die Extrempreise für Energie bewusst zumuten, indem sie Nord Stream 2 weiterhin die Genehmigung vorenthalten und die Sanktionspolitik gegenüber Russland ebenso weiter aufrechterhalten. Da dies in der Klarheit nicht erfolgt, verstärkt sich der Verdacht, dass wir es hier mit dem Phänomen von Gaslighting, jedenfalls nicht mit einem unüberwindbaren Gasmangel zu tun haben.

Dieser Text spiegelt die Ansichten und Ziele einer Einzelperson wider. Er stellt nicht die offizielle Haltung des Landesverbands oder der Gesamtpartei dar. Sachliche Kritik und Gegenmeinungen werden an dieser Stelle gern veröffentlicht.