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Gasmangellage – Pandemie 2.0?

Von Carlo Krause

Feuerzeug mit Hand als Windschutz
Foto: Janam Thapa, pexels.com

Es fängt bereits beim Begriff an. Als Mangel bezeichnet der Duden: „[teilweises] Fehlen von etwas, was vorhanden sein sollte, was gebraucht wird“. Unsere Eltern oder Großeltern haben Mangel erlebt. In Teilbereichen gab es Mangel auch in der DDR. Das bedeutet konkret: Schlange stehen, Bezugsscheine, und am Ende reicht es nicht für alle.

Mir ist aktuell kein Fall bekannt, wo in Deutschland Gas nicht geliefert werden kann. Die Speicher sind für die Jahreszeit ordentlich gefüllt. FAZ.net berichtete mit Stand 13.08.22 einen Füllstand von 75% im Vergleich zum Vorjahr von 53%. Insolvenzen von kleineren Versorgern sind von der Branche mehr oder weniger geräuschlos absorbiert worden, ähnlich wie die Enron-Pleite 2001 oder die Pleite des Energiehändlers Natgas aus Potsdam im Jahr 2019.

Also wo ist der Mangel? Kurz und klar: Der Begriff ist falsch und stammt wahrscheinlich aus der Abteilung Propaganda, um die Menschen erneut zu verwirren.

Es gibt allerdings sehr extreme Preise an den Energibörsen. Der rasante Preisanstieg begann bereits im Oktober letzten Jahres, wo Preise von 400% über dem üblichen Niveau angezeigt wurden. Am 11. August dieses Jahres überschritt der Gaspreis für das Kalenderjahr 2023 die Marke von 200 €/MW, das sind 1.000% über dem vor einem Jahr üblichen Preisniveau für das sogenannte Frontjahr.

Preissteigerungen sind für den Ökonomen deutliche Knappheitssignale. Die Frage ist jetzt, wodurch Knappheit entsteht. – Ist doch klar: Russland liefert nicht.

Hier beginnt das Vielen inzwischen bekannte Framing, weil nicht weiter hinterfragt wird. Wie funktioniert der Gashandel konkret? Der Endkunde kauft bei seinem Versorger (z. B. Stadtwerk), der Versorger kauft bei einem Handelsunternehmen (Großhändler), und das Handelsunternehmen handelt an der Börse oder mit anderen Handelsunternehmen. Alle diese Geschäfte basieren auf Privatverträgen. Mir ist kein Fall bekannt, dass Verträge überhaupt oder in einer nennenswerten Größenordnung nicht erfüllt werden.

Die Börse ihrerseits garantiert durch ihre strengen Regularien immer die Erfüllung der abgeschlossenen Geschäfte. Die Mechanismen an der Börse selbst sind nun etwas undurchsichtig. Hier treten direkt oder verdeckt die wirklich großen Spieler (z. B. Gazprom, Shell, RWE etc.) in dem Geschäft in Aktion. Die Ursache von Extrempreisen, wie wir sie gerade beobachten, könnte also auch an einem verengten Markt liegen (Oligopol). Für wenige dominierende Spieler ist es leicht, Märkte zu manipulieren.

Importverträge aus Russland sind ebenfalls Privatverträge. Bisher hat kein Unternehmen Vertragsverletzungen angezeigt. Dennoch sollen die Gaskunden zu den ohnehin schon unglaublich extrem gestiegenen Gaspreisen zusätzlich noch eine Gasumlage und eine Speicherumlage zahlen.

Wie das RKI bei der sogenannten Pandemie tritt jetzt die Bundesnetzagentur (BNA) auf den Plan. Mit einer wüsten Mischung aus Jahresmengenangaben (TWh), Leistungsangebot (GW) und noch schlimmer: Prozentzahlen und Exportmengen versucht sie uns, wie das RKI die Pandemie, die angebliche Gasmangellage weiszumachen.

Die Kernfragen jedoch werden nicht beantwortet:

  • Welcher Importvertrag ist in welcher Größenordnung vertragsverletzend (also nicht aufgrund üblicher Wartungen etc.) eingekürzt?
  • Falls ein Importvertrag vertragsverletzend eingekürzt ist, welche Maßnahmen werden dagegen unternommen?
  • Welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung, um die entsprechenden Unternehmen auf diplomatischem Weg zu unterstützen und die vertragsverletzenden Liefereinschränkungen zu beenden, falls überhaupt vorhanden?
  • Worin besteht die Begründung zu den bereits jetzt vorhandenen Extrempreisen noch einen Gaspreisaufschlag zu verlangen?
  • Warum werden nicht Exportverbote von deutschen Gashändlern für Erdgas ausgesprochen, wenn Deutschland einen Gasmangel zu beklagen hat?
  • Warum werden deutsche Gaskraftwerke betrieben, um Strom nach Frankreich zu exportieren?
  • Warum wird angeblich eine Teilmenge eingekürzt? Wer legt die Mengeneinkürzung fest und auf welcher Grundlage?

Also auch die uns medial und von den politischen Akteuren verkaufte Gasmangellage stinkt gewaltig. Viele Fragen bleiben ungeklärt und lassen erhebliche Zweifel aufkommen.

Warum übt die Großindustrie, also BASF & Co., nicht massiven Druck auf die Bundesregierung aus? Bleiben diese Unternehmen von den Extrempreisen für Gas und Strom verschont? Warum erfolgt nach wie vor der Erdgastransit durch die Ukraine, wo Russland doch gegen dieses Land Krieg führt und allen Grund haben sollte hier die Lieferung zu unterbrechen? Wie wirken die Sanktionen gegen Russland? Wie erfolgt die Bezahlung von Erdgas und Erdöl und weiteren Rohstoffen? Wie ist die Abwägung zu den Sanktionen? Schaden sie uns mehr als Russland?

Eine sichere Versorgung aller Gaskunden ergibt sich durch ein Zusammenspiel vieler Komponenten. Dazu zählen unterschiedliche Importe (Norwegen, Niederlande, Russland), die Gasproduktion aus Deutschland, aber auch die Speicher oder abschaltbare Großabnehmer, um sehr kalte Wintertage abdecken zu können. Die derzeitige fragmentierte Berichterstattung, die in ihren Berichten von der Speicherbefüllung zur Kürzung bei Nord Stream 1 hin und her springt und immer nur eine Momentaufnahme schildert, dient lediglich der Verwirrung und Panikmache. Die Zusammenhänge werden wohl bewusst und erneut nicht erläutert. Damit ist es den Menschen nicht möglich, das gesamte Bild zu erkennen – Corona lässt grüßen.

Nord Stream 2 ist befüllt und voll einsatzfähig. Durch die Yamal-Leitung fließt das Gas aus Deutschland nach Polen. Kann mir das mit dem Gasmangel jetzt mal jemand erklären?

Dieser Text spiegelt die Ansichten und Ziele einer Einzelperson wider. Er stellt nicht die offizielle Haltung des Landesverbands oder der Gesamtpartei dar. Sachliche Kritik und Gegenmeinungen werden an dieser Stelle gern veröffentlicht.