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Zuerst das Geschäft, dann die Moral

Von Otto Bürger

Symbolbild mit Gasflamme und Euro-Zeichen

Um uns den Kapitalismus zu erklären, schrieb Bertolt Brecht einst, erst komme das Fressen und dann die Moral. Aber gilt das auch im Krieg? Zählt auch im Krieg nur das Geschäft? Ist es möglich und denkbar, dass das Geschäft sogar mit dem Kriegsgegner, dem größten Feind, weiterläuft?

Unsere Bundesregierung stellt die Moral ja immer sehr stark in den Vordergrund ihres Handelns, allerdings hat Egon Bahr, der langjährige SPD-Politiker an der Seite Willy Brandts, in Konkretisierung von Brecht sehr deutlich gesagt: „In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte“. Während er noch meinte, es ginge um die Interessen von Staaten, möchte ich konkretisieren, dass es um die Interessen einiger weniger Oligarchen (in Ost und West!) geht. Die Staaten, die immerhin auch die Menschen dieser Staaten mit einbeziehen würden, interessieren die wirklich Mächtigen in dieser Welt schon lange nicht mehr. Um das zu verstehen lohnt es manchmal dann doch, gezielt die Tagesschau zu gucken, wo eigentlich Ungeheuerliches eher en passant berichtet wird.

Seit dem Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines ist die Energieversorgung in Deutschland und Europa sehr angespannt. Die Preise sind extrem gestiegen, Industrie und besonders Verbrauchern machen die hohen Preise stark zu schaffen. Uns wird klar gemacht, dass angesichts der Kriegssituation in der Ukraine Geschäfte mit Russland moralisch nicht mehr möglich seien. Wir stehen natürlich stramm an der Seite der Ukraine und tragen tapfer die wirtschaftlichen Nachteile in Folge der Sanktionspolitik. Alles für die gute Sache. Die Wärmepumpe ist bestellt und damit vermeintlich sogar besseres Wetter (Klima) gewährleistet.

Wer die Energiethematik nun aber aufmerksam verfolgt, dem wird nicht entgangen sein, dass der ungarische Präsident Orban für sein Land langfristige Importverträge mit Russland abgeschlossen hat und diese sogar noch aufstocken wolle. In der Tagesschau vom 20.08. wird bei Minute 9:44 dem aufmerksamen Zuhörer in einem Beitrag über die Leichtathletik-Weltmeisterschaft nebenbei mitgeteilt, dass Ungarn offenbar immer noch russisches Erdgas über die Ukraine beziehe. Der Erdgastransit von russischem Gas läuft also ungestört weiter durch die Ukraine. Ungeachtet des üblen Krieges, aller Verwüstung zum Trotz. Während die Menschen an der Front sterben, machen andere weiter Geschäfte miteinander, als wäre nichts passiert. So viel noch einmal zur Moral in der Politik.

Wieviel Gas fließt darüber hinaus noch durch die Ukraine nach Westen? Kommen wir deshalb so glimpflich über den Winter? Immerhin kamen in der Vergangenheit etwa 55 Prozent oder jährlich 550 Milliarden Kilowattstunden des deutschen Erdgasverbrauchs aus Russland. Die LNG-Schiffchen an den Küsten und im Wattenmeer, die uns immer stolz präsentiert werden, verschmutzen die Umwelt, dürften die fehlenden Mengen jedenfalls kaum hinreichend ersetzen können. Ein Energiekonzept, das uns eine Gesamtübersicht geben könnte, fehlt. Die Bürger werden mit Detailthemen wie Wasserstoff oder dem Bau von Windkraft- und Solaranlagen verwirrt.

Eine verantwortungsvolle Politik muss das Große und Ganze im Blick haben. Das zu tun, sind die Verantwortlichen in der Regierung offensichtlich einmal mehr nicht willens, denn in der Lage dazu könnten sie sein. Ein solches Konzept kann man sich nämlich von der Energiewirtschaft, der Behörde oder den berühmten „Experten“ zuarbeiten lassen. Mit einem offenen Gesamtkonzept entstünde aber Transparenz, und jeder Bürger könnte nachvollziehen, ob und wie gesteuert wird. Wahrscheinlich ist es aber genau das, was nicht gewünscht ist.

Und wer nun einwendet, dass dadurch auch Russland wichtige Informationen erhalte, dem entgegne ich, dass die russische Seite längst im Bilde ist und genau Bescheid weiß. Die lassen sich bestimmt nicht Wärmepumpen als Energiekonzept für ein ganzes Land oder eine ganze EU vorgaukeln.

Dieser Text spiegelt die Ansichten und Ziele einer Einzelperson wider. Er stellt nicht die offizielle Haltung des Landesverbands oder der Gesamtpartei dar. Sachliche Kritik und Gegenmeinungen werden an dieser Stelle gern veröffentlicht.