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Das Aus für die Platanen am Deich?

Von Martin Wandelt

Platanen am Neustädter Deich

Vorgestern, am 11. März 2024, hat der Bremische Staatsgerichtshof das Volksbegehren zur Rettung der Platanen am Neustädter Deich für unzulässig erklärt. Damit gab das Gericht dem Bremer Senat recht, der dieses Begehren im Dezember abgelehnt hatte. Dies ist nicht nur eine Enttäuschung für die vielen Bürger, die sich für den Erhalt der schönen alten Bäume stark gemacht haben, es ist auch ein Tiefpunkt für die Demokratie in Bremen. Juristisch ist die Entscheidung des Gerichts nicht zu beanstanden: Der Gesetzentwurf, den die Bürgerinitiative „Rettet die Platanen“ vorgelegt hat, verstößt offenkundig gegen Bundesrecht, darum gab es hier keinen Ermessensspielraum. Die Frage ist nur, warum die Sache überhaupt vor Gericht landen musste.

Erinnern wir uns: 2016 hatte der Senat Pläne für die Neugestaltung des Neustädter Deichs vorgelegt, die unter anderem die Fällung von über 120 Platanen vorsahen. Rasch bildete sich eine Bürgerinitiative, um die Umsetzung dieser Plälne zu verhindern. Sie entwickelte sich zu einer der größten und ausdauerndsten Initiativen, die Bremen je erlebt hat. Dank breiter finanzieller Unterstützung konnte sie eine renommierte Deichbaufirma (CDM Smith) damit beauftragen, ein Alternativonzept zu erarbeiten, das den notwendigen Hochwasserschutz ohne Beseitigung der Platanen ermöglichte. Neben dem Baumerhalt bot das Konzept auch den Vorteil deutlich geringerer Baukosten und kürzerer Bauzeiten. Da der Senat trotzdem an seinen Plänen festhielt, beschloss die Bürgerinitiative, ein Volksbegehren zu starten: Ziel war es, einen Volksentscheid herbeizuführen, bei dem die Bremer Bürger bestimmen konnten, ob ihnen die Rettung der Platanen wichtiger war als die Umsetzung des städtebaulichen Konzepts der Landesregierung.

Das Instrument des Volksentscheids ist in der Bremischen Landesverassung verankert. In Artikel 66 heißt es: „Die Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Ausgeübt wird sie „unmittelbar durch die Gesamtheit der stimmberechtigten Bewohner des bremischen Staatsgebietes, die ihren Willen durch Abstimmung (Volksentscheid) und durch Wahl zur Volksvertretung (Landtag) äußert“. Bürgerschaft und Senat werden erst an zweiter Stelle genannt, als diejenigen Organe, die mittelbar die Staatsgewalt ausüben. Damit ist eindeutig festgelegt, wer über wem steht.

Leider verlieren Bürgerschaft und Senat diese von der Verfassung vorgegebene Rangfolge öfter aus dem Blick. Wenn sich der Souverän in Form eines Volksbegehrens zu Wort meldet – was selten genug der Fall ist –, wird dies als lästige Störung empfunden, die es möglichst schnell abzustellen gilt. Da scheut man auch nicht vor juristischen Winkelzügen zurück. Anders, als es die mediale Berichterstattung vermuten lässt, sagt das Urteil des Staatsgerichtshofs nicht, dass das vorgeschlagene Alternativkonzept in irgendeiner Weise mit Bundesrecht kollidiert. Letzteres wurde dem Konzept nie vorgeworfen und vom Gericht auch nicht geprüft. Die Ablehnung, die das Gericht ausgesprochen hat, bezieht sich allein auf den Versuch der Bürgerinitiative, den Platanen per Gesetz einen besonderen Schutzstatus zuzuweisen. Dies ist nicht zulässig, weil – vereinfacht gesagt – Hochwasserschutzanlagen dem Bundesrecht unterliegen und dieses nicht durch Landesgesetze eingeschränkt werden kann.

Mit anderen Worten: Der Staatsgerichtshof hat nicht die Sache an sich beurteilt, sondern nur den juristischen Weg, den die Bürgerinitiative eingeschlagen hat. Aufgrund der rechtlichen Situation in Bremen stand der Initiative allerdings kein anderer Weg offen. Zwar kann das Landesparlament einen Volksentscheid über jede beliebige Frage herbeiführen, die in seine Zuständigkeit fällt. Wenn aber Bremer Bürger einen Volksentscheid begehren, muss sich dieser auf die Annahme oder Ablehnung eines konkreten Gesetzes beziehen. Die Landesverfassung gibt den Bürgern keine Möglichkeit, dem Handeln des Senats oder einer Behörde per Volksentscheid eine bestimmte Richtung zu geben oder Schranken zu setzen. So blieb der Bürgerinitiative angesichts der Blockadehaltung der Bremer Parteien keine andere Möglichkeit, als einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, der dem Senat Schranken setzt. Leider hat sich auch dieser Weg nun auch als Sackgasse erwiesen.

Was bedeutet das für die Demokratie? Über viele Jahre hat eine große Zahl von Menschen Stunden über Stunden ihrer Freizeit in eine politische Initiative investiert – nicht um ihren Willen durchzusetzen, sondern um Ideen zu entwickeln und dafür zu sorgen, dass der Wille der Bürger abgefragt und umgesetzt wird. Eine große Zahl von Bürgern, deutlich mehr als alle Bremer Parteien zusammen an Mitgliedern haben, hat sich dafür ausgesprochen, die Neugestaltung des Neustädter Deichs einem Volksentscheid zu unterziehen. Aber Senat und Bürgerschaft, diese mittelbaren, zweitrangigen Organe der Staatsgewalt, setzen sich über diejenigen hinweg, denen die unmittelbare Ausübung der Staatsgewalt zusteht. Dieses Herrschergehabe wird mit Sicherheit nicht dazu beitragen, den Zusammenhalt in Bremen zu stärken und der Politikverdrossenheit entgegenzuwirken. Der Senat mag Recht bekommen haben, aber damit hat er noch lange nicht recht.

Noch ist es nicht zu spät – die in der Bürgerschaft vertretenen Parteien könnten nach wie vor beschließen, einen Volksentscheid über die Neugestaltung des Neustädter Deichs durchzuführen. Dann könnten alle Bremer Bürger mit darüber entscheiden, ob sie die Planungen des Senats oder das Alternativkonzept der Bürgerinitiative für sinnvoller halten. Dass dies geschieht, ist indes wenig wahrscheinlich. So bleibt den Bürgern nur, die anstehende Europawahl zu nutzen, um den etablierten Parteien zu zeigen, was sie von deren Demokratieverständnis halten – zum Beispiel, indem sie ihre Stimme einer neuen Partei geben, die für Basisdemokratie und echte Mitbestimmung eintritt.

Dieser Text spiegelt die Ansichten und Ziele einer Einzelperson wider. Er stellt nicht die offizielle Haltung des Landesverbands oder der Gesamtpartei dar. Sachliche Kritik und Gegenmeinungen werden an dieser Stelle gern veröffentlicht.

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