Suche
Suche Menü

Wir müssen Klartext reden

Gastbeitrag von Michael Aggelidis

Landkarte mit Gaspipelines von Russland nach Europa
Russische Gaspipelines nach Europa (Quelle: Gazprom)

Die Krisen in Deutschland und Europa verschärfen sich dramatisch. Während für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung finanzielle und existenzielle Belastungen zunehmen, sorgen die bürgerlichen Parteien und insbesondere die Politik des Wirtschaftsministers Habeck und der Außenministerin Baerbock (Bündnis90/Grüne) für eine stetige Verschlimmerung der Lage. Anstatt „Schaden vom deutschen Volk abzuwenden“, wie es der Regierungseid enthält, werden reihenweise politische Entscheidungen getroffen, die noch mehr Schaden anrichten.

Angefangen bei der Einschränkung der bürgerlichen Grundrechte, die unter dem Infektionsschutzgesetz ab Herbst wieder verschärft werden soll. Man erinnere daran, dass noch bis März 2020 unser Grundgesetz unantastbar war. Inzwischen ist eine grundgesetzwidrige Politik Normalität geworden, und zynischerweise werden auch noch diejenigen, die sich dagegen auflehnen, als Demokratiefeinde beschimpft.

Und nun wird die Eskalation in der Ukraine benutzt, um Krisen, die sich schon über Jahre entwickelt haben, auf die Bevölkerung abzuwälzen. Wir werden zur „Solidarität mit der Ukraine“ aufgerufen, wo angeblich demokratische Werte gegenüber Russland verteidigt würden, wobei völlig ignoriert wird, dass in der Ukraine Korruption, Gesinnungsdiktatur und Terror gegenüber Andersdenkenden, insbesondere russlandfreundlichen Menschen seit acht Jahren an der Tagesordnung sind.

Die Lieferung von Waffen in das Krisengebiet Ukraine wird ebenso von Steuern finanziert wie die gigantischen zusätzlichen Rüstungsschulden von 100 Mrd. Euro, die die Regierung Scholz schon vor der Eskalation des Ukraine-Krieges in der Schublade liegen hatte. Die Pflicht unserer Regierung auf diplomatischem Wege zu einem Verhandlungsfrieden beizutragen und sich international als Friedensvermittler zu betätigen, wird aufs Schlimmste verletzt. Stattdessen verkündet die deutsche Außenministerin, „Russland ruinieren“ zu wollen.

Seit acht Jahren, aber insbesondere seit der militärischen Intervention der Russischen Föderation in der Ukraine, werden Russland und Weißrussland mit beispiellosen Sanktionen überzogen, die allerdings kaum mehr bewirken als den Abbruch langjähriger guter Wirtschaftsbeziehungen innerhalb Europas. Während im globalen Maßstab eine neue, florierende multipolare Welt entsteht.

Die größten Opfer der deutschen Russland-Sanktionen sind die Deutschen selbst. Die Interessen eines von US-Kapitaleliten dominierten transatlantischen Machtgefüges gewinnen hier die Oberhand. Mit der selbst verursachten Reduzierung des preisgünstigen russischen Gases wird der Markt für das sehr viel teurere US-Fracking-Gas freigemacht. Den höheren Preis haben wir als Verbraucher zu zahlen, wobei die Börsennotierung die Preise immer weiter in die Höhe treibt. Spekulanten profitieren von immer neuen Höchstständen bei einer Ware der Grundversorgung. Das Nachsehen haben die deutsche Großindustrie, der Mittelstand und die Privathaushalte. Viele Menschen wissen nicht, wie sie im Herbst überhaupt über die Runden kommen sollen. Preiserhöhungen landen überall bei den Verbrauchern auf dem Tisch, die drastische Erhöhung der Abschlagszahlungen wird angekündigt und mit dem Hinweis versehen, dass der, der nicht zahlen will oder kann, ja kündigen darf.

Das ist purer Zynismus, den die Partei der Grünen auch noch damit zu begründen sucht, sie wolle „Anreize“ geben, um Einsparungen zu erzwingen. Zur Begründung für die Auflösung der deutsch-russischen Wirtschaftskooperation, insbesondere bei der Rohstoffversorgung, muss eine Russland-Darstellung herhalten, bei der Russland als einziger „Schuldiger“ des Krieges in der Ukraine angeprangert wird, als hätte es die gesamte Vorgeschichte von der ersten NATO-Osterweiterung über die militärischen Angriffe auf die Ostukraine nahe der russischen Grenze bis zur drohenden atomaren Aufrüstung der Ukraine vor den Toren Russlands nie gegeben. Die Heuchelei und Doppelmoral der Bundesregierung und ihrer westlichen Partner ist offensichtlich: Während Russland „wirtschaftlich ruiniert“ werden soll und Nord Stream II auf Geheiß Washingtons gestoppt wird, macht Wirtschafts- und Klimaminister Habeck in der „blütenreinen Öko-Demokratie“ in Katar den Bückling, um Gas zu organisieren.

Es gilt, folgende Wahrheiten auszusprechen: Wir sind existenziell interessiert an freundschaftlichen Wirtschaftsbeziehungen mit der Russischen Föderation und China. Der Stellvertreterkrieg in der Ukraine ist nicht unser Krieg. In Kiew regieren spätestens seit dem Maidan-Putsch 2014 Terror, Diktatur, Verfolgung und Ermordung oppositioneller Kräfte. Korruption und der skandalöse Ausverkauf des Landes an westliche, vor allem US-Konzerne führten seitdem zu einer weiteren Verarmung der ukrainischen Bevölkerung.

Seit 2014 führte die ukrainische Armee eine sogenannte „Anti-Terror-Operation“ gegen die selbsternannten Volksrepubliken im Donbass durch, bei der bis Februar 2022 schätzungsweise 14.000 Menschen zu Tode kamen, darunter zirka 5.000 Zivilisten. Zudem wurde im Februar 2022 im ukrainischen Fernsehen offiziell die geplante militärische Einnahme der Volksrepubliken verkündet.

Hätten die Garantiemächte von Minsk II – wie etwa die Bundesrepublik Deutschland – Druck auf Kiew ausgeübt, den Donbass nicht mehr zu beschießen bzw. weiter zu bedrohen, hätte Russland nicht militärisch interveniert, wären zahllose Menschen nicht durch diesen Krieg umgekommen. Auch die vielen Tausend ukrainischen und russischen Soldaten, die nun täglich zu Hunderten sterben, könnten ihr meist noch sehr junges Leben fortsetzen. Stattdessen werden sie einem sinn- und aussichtslosen Krieg geopfert. Selbst Henry Kissinger, US-Altfalke im Ruhestand, nimmt das so wahr.

Wen in aller Welt unterstützt der Westen da?

  • US-Konzerne, die das Land übernommen haben und die jetzt um ihre Pfründe fürchten?
  • Ein ukrainisches Oberkommando, das täglich Hunderte von Soldaten verheizt?
  • Einen Präsidenten Selenskij, der sich weigert oder vielleicht sogar weigern soll, Friedensverhandlungen zu führen? (Während Henry Kissinger Selenskij zu Verhandlungen riet, haben andere wie Boris Johnson Selenskijs Verhandlungswillen unter ziemlichem Druck gebrochen.)
  • Eine dünne Schicht ukrainischer Reicher, die das eigene Land ausplündert und die ihre ergaunerten Vermögenswerte ins westliche Ausland schafft?

Wir erleben eine Außenpolitik, welche die Menschen in Deutschland, aber auch in der Ukraine und Russland, zutiefst schädigt, bei der sich deutsche Politiker in Kiew zum Schaulaufen treffen, anstatt auf sofortige Verhandlungen mit der Russischen Föderation zu drängen. Deutschland hat mit dieser Außenpolitik seine diplomatische Ehre verloren, selbst die Türkei steht international inzwischen als akzeptabler Vermittler da. Deutschland hingegen ist diplomatisch um Jahrzehnte zurückgeworfen.

Deutschland sollte endlich seine eigenen nationalen und wirtschaftlichen Interessen vertreten. Im Interesse der Bevölkerung kann nur ein friedliches und kooperatives Europa von Lissabon bis Wladiwostok erstrebenswert sein, sowie ein friedliches und kooperatives Eurasien von Duisburg bis nach Beijing. Konkret bedeutet das:

  • Schluss mit den Wirtschaftssanktionen gegen die Russische Föderation.
  • Schluss mit den Börsenspekulationen um existenzielle Energieträger.
  • Sofortige Inbetriebnahme von Nord Stream II.
  • Und schließlich auch: Öl durch die Druschba-Pipeline unter anderem für die Raffinerie in Schwedt.

Wird die jetzige Politik weiter fortgesetzt, drohen der Bevölkerung in Deutschland und Europa schlimmste Konsequenzen. Wir brauchen dringend eine Rückbesinnung auf unsere einstige Politik mit Russland. Wir brauchen die Rückkehr zu einer für beide Seiten nützlichen und friedensstiftenden Wirtschaftskooperation. Der Weg dahin kann nur ein ernsthaftes diplomatisches Drängen auf Friedensverhandlungen mit Russland sein.

Immer mehr Menschen erkennen den falschen und gefährlichen Kurs der Bundesregierung und gehen deshalb völlig berechtigt auf die Straße. Ich halte es für richtig und wichtig, diese demokratischen Proteste zu unterstützen. Die Montagsspaziergänge und andere Protestaktionen sollten eine Gelegenheit sein, um die wichtigsten Forderungen für ein friedliches Europa auf die Straße zu bringen:

Frieden schaffen ohne Waffen. Sofortige Inbetriebnahme von Nord Stream 2. Ende der Sanktionen und Inflation! Für eine friedensstiftende Außenpolitik.

Helfen wir uns selbst – denn andere werden es nicht tun.

Michael Aggelidis ist Mitglied des Landesverbands NRW der Partei dieBasis sowie Mitglied des dortigen Landesschiedsgerichtes. Außerdem ist er aktives Mitglied der AG Frieden und Mitinitiator der Basis-Friedenskonferenz am 10. Und 11. September in Hamburg, wo er als Referent und Teilnehmer einer Podiumsdiskussion auftreten wird. Anmeldungen zur Friedenskonferenz sind noch möglich. Auch Nicht-Parteimitglieder sind herzlich willkommen.

Dieser Text spiegelt die Ansichten und Ziele einer Einzelperson wider. Er stellt nicht die offizielle Haltung des Landesverbands oder der Gesamtpartei dar. Sachliche Kritik und Gegenmeinungen werden an dieser Stelle gern veröffentlicht.