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Mit der CDU ins Klima-Camp?

Blauer Himmel mit Wolken

Von Otto Bürger

Nachdem vier Jahre kaum etwas zu hören war, werden die Bremer Parteien jetzt vor der anstehenden Bürgerschaftswahl wieder verstärkt aktiv. Das Vorgehen ist altbekannt, aber deswegen nicht weniger erbärmlich: Vor der Wahl gibt man sich offen und bürgernah, danach erlahmt das Interesse der Parteien am Bürgerwillen wieder merklich. Dann machen die gewählten Vertreter ihr Ding, scheren sich nicht mehr um ihre Wahlversprechen und kümmern sich schon gar nicht mehr um die Wünsche der zu repräsentierenden Bürger.

In dieser Losgelöstheit des politischen Betriebs liegt die deutliche Schwachstelle der repräsentativen Parteiendemokratie. Die Interessen von 50 bis 70 Prozent der Menschen der unteren Einkommensklassen bleiben nahezu unberücksichtigt und haben somit kaum Einfluss auf politische Entscheidungen. Sehr gut erforscht und belegt wurde dieser Sachverhalt in den Untersuchungen des Princeton-Professors Martin Gilens und seines Kollegens Benjamin I. Page. Da im Mai die Bremische Bürgerschaft neu gewählt wird, brauchen wir aber nicht in die USA zu schauen, sondern können am Beispiel des Wahlsiegers von vor vier Jahren analysieren, was hier vor Ort passiert.

Medienwirksam stellte die CDU als größte Partei in der Bürgerschaft ihr Wahlprogramm kürzlich im Entwurf vor. Auf einer Pressekonferenz wurden die Themen, denen sich die Partei widmen möchte, anhand eines etwas wirren Schaubildes, das an einen Metroplan erinnert, präsentiert. Leider betritt die CDU damit aber thematisch den Holzweg, denn den Bürgern werden hier Themen verkauft, die an den Bedürfnissen der allergrößten Mehrheit der Menschen komplett vorbeigehen. So steht, welch Wunder, im Zentrum des Übersichtplans das allgegenwärtige Klimathema mit einem „Klima-Campus“ als Knotenpunkt. Das wird in Bremen, dem Bundesland mit der höchsten Armutsquote und einem kaum messbaren Anteil am globalen Klimageschehen, an vorderster Stelle propagiert. Dabei ist das Thema im Kern wissenschaftlich umstrittener als uns die Medien weismachen wollen. Und man fragt sich, wie der Mensch dieser Hybris verfallen kann, das Klima in seiner unermesslichen Komplexität steuern zu können. Die CDU ficht das nicht an. Sie will, dass Bremen allergrößte Anstrengungen unternimmt, um irgendetwas fürs Klima zu tun, und sei es in der globalen Wirkung auch noch so unbedeutend. Dagegen werden drängende und sehr wohl vor Ort beeinflussbare Themen, wie etwa Armut, Bildung und bezahlbarer Wohnraum, von der Partei hintangestellt.

Ein weiterer Knaller im Programm ist das Thema Wasserstoff. Das klingt gut und zukunftsweisend, und auch hier haben wir sie wieder: die Verknüpfung von Ökonomie und Ökologie, die technologische Lösung. Die CDU erfindet die Vision von Bremen als Wasserstoffstandort Nummer eins, was aber nicht mehr ist, als eine wohlklingende Floskel. Wollte Bremerhaven nicht kürzlich Offshore-Terminal Nummer eins werden? Will Werder Bremen nicht Deutscher Meister werden? Wieviel darf es denn kosten? Alles über Steuergelder oder Schulden finanziert? Man bedenke, das geht immer zu Lasten anderer Politikfelder, wie zum Beispiel Soziales, Bildung oder Gesundheit.

Kein Wort findet sich im Programm zu den technischen Herausforderungen, die bei der Wasserstoffthematik noch zu meistern sind. So gehen etwa drei Viertel der Energie bei den Umwandlungsprozessen verloren. Wasserstoff ist das leichteste aller Elemente und versprödet alle Materialien, daher taugt das bestehende Gasnetz nicht für dessen Transport. Ammoniakschiffe mit aus der Sahara erzeugtem Wasserstoff sind noch extrem teuer. Wer soll das bezahlen und was macht es für einen Sinn? Es ist geboten, realistisch zu bleiben, und nicht Subventionsgelder sinnlos und an den drängenden Bedürfnissen der Bürger vorbei zu verprassen.

Ein weiteres Thema im CDU-Programm ist die Bildungspolitik, welche die CDU in Bremen über Jahre mitgetragen hat. Die Lernergebnisse der Drittklässler in Bremen in den Fächern Mathe und Deutsch haben sich aktuell weiter verschlechtert. Als Lösung jetzt Schulnoten bereits ab Klasse drei zu fordern, zeugt von absoluter Unkenntnis des Themas und fehlendem Willen für eine nachhaltige Lösung. Ein solcher Ansatz ist von gestern und an Rückwärtsgewandtheit nicht zu überbieten. Nur gut, dass die CDU nicht auch noch den Rohrstock fordert. Dass auf der Titelseite des gedruckten Wahlprogramms zudem noch ein dummer Schreibfehler gemacht wird, ist peinlich, aber geschenkt. Viel schlimmer ist, dass hier Ausgrenzungsmechanismen (Sitzenbleiben) sowie Be- und Abwertungen (Noten) weiterhin als probate Mittel gefordert werden. Diese treffen verstärkt die ärmere und größte Bevölkerungsgruppe im Land. Damit werden früh die Weichen gestellt, und es kann sich nachhaltig nichts ändern. Schlechter kann man es eigentlich nicht machen. Mit Schulnoten bewertet, gebührt diesem Vorschlag daher ein Ungenügend (Note 6).

In ähnlich rückwärtsgewandter Weise geht es weiter, wenn mehr Polizei am Bahnhof gefordert wird. Was soll, was kann die Polizei mit verstärkter Präsenz hier lösen? Bereits jetzt, im Zuge der bevorstehenden Wahl, wird die Innenbehörde mit verstärkten Polizeimaßnahmen öffentlichkeitswirksam aktiv. Aber mehr als Aktionismus ist das auch nicht. Die Polizei wird geholt, wenn gar nichts anderes mehr geht und das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. An der Ursache ändern die Maßnahmen nichts: Bremen hat ein deutliches und unübersehbares Armutsproblem! Und dieses wird ungebremst mit dem allgemeinen wirtschaftlichen Rückgang – Stichwort Inflation – zunehmen. Eine politische Lösungsstrategie sucht man im CDU-Programm aber vergebens.

Immer mehr Menschen müssen auf der Straße leben, das kann man nicht mit Polizei lösen und auch nicht, indem man die Menschen von einzelnen Flächen und Plätzen vertreibt. Der Ansatz, der hier verfolgt wird, lässt sich mit der dummen und platten Forderung „Armut verbieten!“ wohl treffend zusammenfassen. Dabei sind viel tiefgreifendere und nachhaltigere Lösungen gefordert, um den Betroffenen aus dem Teufelskreis der Armut herauszuhelfen, besser noch, sie gar nicht so weit abrutschen zu lassen. Wir sollten eine Gesellschaft sein, die Menschen einbezieht und ihnen eine Perspektive der Teilhabe bietet. Dazu muss in der Familie angesetzt und die weitere Entwicklung der Kinder und Jugendlichen gestärkt werden, indem man ihnen frühzeitig ermöglicht, ein wertgeschätzter Teil unserer Gesellschaft zu sein. Häufige Ausgrenzungserfahrungen, die in den Abwärtsstrudel führen, müssen verhindert werden.

Zusammengefasst lässt sich sagen: Was im CDU-Programm fehlt, sind Antworten auf die wirklich drängenden Probleme der meisten Menschen im Land Bremen: Wie wird die Verschuldung in den Griff bekommen? Was will man gegen die immer größer werdende Armut unternehmen? Wie will man mit den Herausforderungen der Migration umgehen? Wir taumeln in Bremen, wie in der gesamten Republik, durch medial aufgeblähte und Angst erzeugende Krisen (z. B. Corona), die häufig an der Lebenswirklichkeit der meisten Menschen vorbeigehen. Wichtig wäre jetzt, die drängenden und lösbaren Probleme der Zeit anzupacken. Das geht nur, indem Klartext gesprochen wird, und nicht dadurch, dass wichtige Aspekte aus der medialen Diskussion herausgehalten werden.

Wir können uns nicht darauf verlassen, dass eine Partei die Dinge für uns regelt. Vielmehr brauchen wir einen großen Konsens in der Bevölkerung. Die Menschen müssen mit ihren Problemen ernstgenommen und einbezogen werden. Ihre Stimme muss gehört werden. Die grundlegende Veränderung ist nur mit einer weitgehenden Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger machbar. Die aktive Beteiligung durch Direkte Demokratie ist nötiger denn je.

Dieser Text spiegelt die Ansichten und Ziele einer Einzelperson wider. Er stellt nicht die offizielle Haltung des Landesverbands oder der Gesamtpartei dar. Sachliche Kritik und Gegenmeinungen werden an dieser Stelle gern veröffentlicht.