Suche
Suche Menü

Die Armut, La Bohème und der Ablass – Alles Theater!

Von Otto Bürger

Mit der politischen Aktion „Bremen macht ABI“ hat dieBasis Bremen die Themen Armut, Bildung und Infrastruktur bereits zu Beginn des Jahres 2024 ins öffentliche Bewusstsein gebracht und gefordert, dass sich die Bremer Politik vordringlich diesen drei Bereichen widmet. Untermauert wurde dies durch eine Postkartenaktion: Mit der an den Bürgermeister Dr. Bovenschulte adressierten Postkarte konnten Bürgerinnen und Bürger aus Bremen und Bremerhaven der Forderung Nachdruck verleihen.

Ob diese Aktion das Bremer Theater motiviert hat sich des Armutsthemas anzunehmen, ob für die Theaterschaffenden die zunehmende Armut in Bremen bewusst spürbar geworden ist oder ob es sich schlicht um eine übliche und zur Weihnachtszeit passende rührselige Inszenierung handelt, bleibt offen. Man könnte jedenfalls meinen, das Thema Armut sei in der Mitte der guten Bremer Gesellschaft angekommen.

Denn — am Theater Bremen wird die Oper La Bohème gespielt, und die Inszenierung stellt das Armutsthema in den Vordergrund. Das Besondere: Die Zuschauer waren im Vorfeld gebeten worden, haltbare Lebensmittel (Kaffee, Reis, Nudeln, Konserven etc.) zur Vorstellung mitzubringen. Diese werden Teil der jeweiligen Vorstellung und kommen als Requisiten auf die Bühne, um dann am nächsten Tag der Bremer Tafel gespendet zu werden.

Der Regisseurin Alize Zandwijk gehe es um die Suche nach Menschlichkeit und Verantwortung in Zeiten, in denen die sozialen Verwerfungen zunehmen und unser aller Realität existenzieller zu werden drohe, heißt es auf der Internetseite des Theaters zu La Bohème. Bremen sei das Bundesland mit der höchsten Armutsquote, schreibt das Theater zutreffend weiter. Es gebe Menschen, denen das Geld für eine ausgewogene Ernährung fehle. Es gebe Hunger. Abhilfe schaffe da die Bremer Tafel, so ist man wohl im Theater überzeugt, und zwar indem sie sich zum Wohle mittelloser Menschen einsetze.

So positiv es ist, die Armut in Bremen auch im Theater zum Thema zu machen und auf die eklatant hohe Armutsquote hinzuweisen, so wenig nachhaltig zeigt es sich. Nach den Festtagen oder spätestens nach Absetzen des Stückes ist das Thema wieder durch. Bereits in 2013 als die Armutsquote in Bremen noch bei 23,1 % lag, gab es mit „The Art of Making Money – Die Bremer Straßenoper“ bereits ein ähnlich wohlmeinendes Projekt am Bremer Theater. Damals sind Obdachlose und Straßenmusiker der Stadt Darsteller in der Produktion geworden. Den Machern war damals schon klar, dass sich für die Betroffenen trotz des kurzen Engagements am Theater nachhaltig nichts an ihrer Lebensituation ändern werde. Im Gegenteil: Seit damals ist die Armut und Obdachlosigkeit in Bremen weiter gestiegen. Der Anstieg der Armutsquote in Bremen auf aktuell knapp 30% verdeutlicht, dass wir es hier mit einem Systemfehler zu tun haben. Immer mehr Menschen sind in den letzten Jahren von Armut betroffen und der Negativtrend scheint ungebrochen. Auf der anderen Seite scheffeln sehr wenige Menschen geradezu parasitär einen schier unermesslichen Reichtum an.

Mit Almosen wird das Problem nicht lösbar sein. So können die Opernbesucher, wie zu Zeiten des Ablasshandels, durch eine Spende für die Bremer Tafel ihre Gemüter beruhigen und mit einem guten Gefühl an der reich gedeckten Weihnachtstafel im heimischen Wohnzimmer Platz nehmen. Und wir als Gesellschaft so weiter machen wie immer. In einigen Jahren folgt vielleicht die nächste Inszenierung zum Thema Armut am Theater. Die Armutsquote wird erneut gestiegen sein. Das Publikum zeigt Mitleid und bedauert die Zustände. An der Gesamtsituation ändert sich nichts.

Sebastian Loskant hat es im Weser-Kurier etwas charmanter, aber nicht weniger treffend formuliert:  „Es hat viel Weihnachtscharme, wenn man so schön angesungen wird und gleichzeitig noch Gutes tun kann.“

Dabei gilt es doch, das Thema Armut und soziale Gerechtigkeit und den parasitären Reichtum der sehr Wenigen grundlegend zu diskutieren. Wir müssen Politiker in die Pflicht zu nehmen, sie an den Ergebnissen ihrer Politik messen, und dürfen uns nicht immer wieder mit Floskeln und wohlmeinenden Sonntagsreden zufriedengeben. Eine häufigere und nachdrückliche Thematisierung im Weser-Kurier und bei Radio Bremen ist wünschenswert. Dabei ist besonders kritisch zu hinterfragen, wo unser Geld bleibt und warum elementare Probleme trotz deutlich gestiegener Steuereinnahmen nicht angegangen, geschweige denn gelöst werden.

Warum wird nicht kritisch hinterfragt, wenn 250 Millionen Euro für ArcelorMittal auf einem Treuhand-Konto geparkt werden? Bei unterstellten 4 Prozent Zinsen ist das eine zusätzliche Belastung von 10 Millionen Euro pro Jahr. Warum muss das bettelarme und hochverschuldete Bremen so einen Weltkonzern überhaupt subventionieren? Was passiert konkret mit den 300 Millionen Euro für die neu gegründete Gesellschaft Brestadt GmbH? Warum ist die private GmbH als Parallelstruktur besser als die vorhandene Senatsbaubehörde? Liegt es vielleicht nur daran, dass die getroffenen Entscheidungen und Ausgaben so nicht transparent gemacht werden müssen?

Aber zurück zur Kultur. Berthold Brecht bringt das soziale Thema mit seiner Dialektik knapp und pointiert auf den Punkt:

Reicher Mann und armer Mann
standen da und sah’n sich an.
Da sagt der Arme bleich:
Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.

Die Frage aber bleibt: Wollen wir es ändern?

Dieser Text spiegelt die Ansichten und Ziele einer Einzelperson wider. Er stellt nicht die offizielle Haltung des Landesverbands oder der Gesamtpartei dar. Sachliche Kritik und Gegenmeinungen werden an dieser Stelle gern veröffentlicht.

Hilf mit, dass dieBasis bei der Bundestagswahl antreten kann.