Von Claudia Meyer
Insolvenzen oder Aufgaben von Geschäften gab es ja schon immer. Danach kam meist etwas Neues – ein Laden, ein Restaurant, ein Büro… das war aber früher. Heute kommt oft nichts nach. Jedenfalls nichts, wovon der Bürger etwas hätte. Dafür ist Bremen Woltmershausen leider ein gutes Beispiel: Nachdem ein Arzt mit seiner Praxis in Ruhestand gegangen ist, ist dort leider auch Ruhe, wie lange, weiß keiner. Die eine von zwei Apotheken hat das zu spüren bekommen und macht ohne Tamtam dicht.
Es begann in den letzten Monaten mit dem Burger- und Baguetteladen und endete dort mit Leerstand. Das Eiskaffee wurde von einem Eisautomaten ersetzt. Da, wo das Blumengeschäft war, wachsen aus den Mauerritzen vielleicht noch Pusteblumen. Ach, und fast vergessen: Den Friseur gibt’s ja auch nicht mehr! Die Sparkasse wollte wohl selber sparen und hat zu gemacht. Die Commerzbank hat zu sich gesagt: „Ziehen wir besser ins Tabakquartier. Dort gibt’s mehr Leben in der Nachbarschaft.“ Das Gebäude ist natürlich – …? Sie denken richtig: leer.
Aber es regt sich noch etwas: Commerzbank weg, dafür Schülernachhilfezentrum. Man hofft, sie behandeln dort auch mal das Thema, wie das alles miteinander zusammenhängt. Aber da kommen wir ja gleich auf das Thema Schule und Bildung, und in dieses Sumpfgebiet wollen wir erst einmal nicht abschweifen… Und noch etwas, das Hoffnung mach: Der Leuchtturm mit Restaurant darf noch für ein Jahr leuchten.
Leuten, die morgens zum Arbeiten aus dem Haus gehen und abends zurückkommen; Leuten die den ganzen Tag zu Hause verbringen müssen, weil sie alt, krank oder beides sind; Leuten, die ihr weniges Geld zusammenhalten müssen, fällt der Verfall urbanen Lebens auf, wenn sie wieder an einem frisch geschlossenen Geschäft vorbeikommen. Es wird schnell vergessen, weil wir Menschen Gewohnheitstiere sind. Weil wir das Geschäft nicht täglich aufsuchen. Uns werden diese Veränderungen erst bewusst, wenn wir darauf angewiesen sind. Und wenn sich die Folgen bemerkbar machen: weite Wege, um Geld abzuheben, zum Friseur oder nett Essen zu gehen. Durch den Kiez bummeln mit der Option, Kaffee zu trinken oder Eis zu essen, leider nicht einfach.
Zu sehen gibt’s auch nicht viel. Ein toter Stadtteil lässt die Menschen sich immer weniger heimisch fühlen und führt dazu, dass eigentlich alle wieder weg wollen, dass Geschäfte oder Ärzte sich dort nicht niederlassen mögen. Ein unguter Kreislauf. Wer daran etwas ändern könnte? Das wissen wir doch eigentlich alle. Solche Entwicklungen werden auch hier in Bremen politisch toleriert, ignoriert und gewollt.
Bremen Woltmershausen ist bei weitem kein Einzelfall. Wir sprechen hier nur über Geschäfte und Läden. Ein Blick auf die öffentliche Struktur verrät uns, dass die Misere weit ausgeprägter ist: Monate auf einen neuen Ausweis warten, zu wenig Polizei, keine Stadtteilbibliotheken, jährliches Rangeln, ob und welche Bäder geöffnet bleiben dürfen, ausfallende oder sich verspätende Züge – für die arbeitende Bevölkerung bereits morgens wöchentlich ein- bis zweimal kostenfreies Adrenalin, fehlende ärztliche Versorgung usw. usw. Verbesserungen der Infrastruktur und der wirtschaftlichen Bedingungen des Mittelstandes scheinen keine Rolle für die regierenden Parteien zu spielen.
Die Auswirkungen offensichtlich auch nicht: Für die Menschen, die keine Beziehung zu ihrem Wohnort entwickeln können oder ihren Wohnort als reizlos oder gar als belastend empfinden, weil die Dinge des täglichen Bedarfs in eine immer weitere Ferne rücken, gibt es mehrere Möglichkeiten: es erdulden, wegziehen in der Hoffnung, etwas Besseres zu finden, alternative Handelswege eröffnen oder sich an ihnen beteiligen. Die letztgenannte Möglichkeit lebt von und durch die persönlichen Kontakte und ist eine echte Alternative, weil sie echte Nachbarschaft, Bindungen und Heimat verspricht.