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Mit aller Härte des Gesetzes gegen Mediziner

Menschen vor dem Gerichtsgebäude im Gespräch mit dem Anwalt des Angeklagten

Eine Prozessbeobachtung von Otto Bürger

Während sich in Bremen und Bremerhaven die unerledigten Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft stapeln und einige Beschuldigte straffrei ausgehen, weil das Verfahren nicht rechtzeitig eröffnet wurde, zeigt die Justiz an anderer Stelle, was sie kann. So wurde am 27. Juli in Bremerhaven das Strafverfahren gegen einen seit über 20 Jahren praktizierenden Facharzt für  Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde vor dem Amtsgericht eröffnet.

Das Verfahren an diesem verregneten Donnerstag hatte großes öffentliches Interesse hervorgerufen. »Buten un binnen« war das Thema einen Vorbericht wert, und auch vor Ort war der öffentlich-rechtliche Sender mit einem Kamerateam zugegen, um in seiner Hauptsendung zu berichten. Dem Verfahren beiwohnen wollten ebenfalls etwa 60 interessierte Bürger. Die vorsitzende Richterin hatte die Teilnehmerzahl allerdings auf zwölf Personen, inklusive Presse, beschränkt – der Verhandlungssaal hatte nicht mehr Platz. Ob ein Ausweichen in einen größeren Sitzungssaal möglich gewesen wäre, bleibt unklar.

Im Saal fanden sich dann also zwölf Zuhörer. Vorn saßen zwei Justizbeamte, die Präsidentin des Amtsgerichts, der Angeklagte und dessen Anwalt einer jungen Staatsanwältin, etwa Ende 20, und einer jungen Richterin, etwa Anfang 30, sowie zwei protokollierenden Schreibkräften gegenüber. Die Richterin ermahnte einen Zuschauer zu Prozessbeginn, seine Kappe abzunehmen. Eine maskierte Dame durfte hingegen ihre Maske aufbehalten, was etwas merkwürdig anmutet, da die Justiz in Sachen Vermummungsverbot ansonsten regelmäßig sehr strenge Maßstäbe anlegt.

Zu Beginn des Verfahrens wies die Richterin daraufhin, dass der geladene Zeuge aus gesundheitlichen Gründen nicht angereist sei und daher das Verfahren wohl zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Zeugen fortgeführt werden müsse. Die Staatsanwältin trug die Anklage vor und warf dem Arzt vor, ein unrichtiges ärztliches Attest zur Vorlage bei einer Behörde oder Versicherung ausgestellt zu haben. Dem Zuhörer stellte sich da die Frage, wie ein über Jahrzehnte praktizierender Facharzt ein unrichtige ärztliches Attest ausstellen könne. Dazu wurde seitens der Staatsanwaltschaft allerdings nichts ausgeführt.

Der beschuldigte HNO-Arzt legte anschließend glaubhaft dar, dass er bei dem Patienten eine Anamnese und eine fachärztliche Untersuchung durchgeführt habe, und erläuterte seine entsprechenden Ergebnisse anhand eines für die Verhandlung angefertigten Gedächtnisprotokolls. Seitens der Verteidigung wurde zudem ein Rechnungsschreiben aus dem Jahr 2010 einer anderen HNO-Praxis vorgelegt, aus dem hervorging, dass damals auffällige Befunde im Hals- Nasen-Raum des Patienten festgestellt wurden. Im weiteren Verlauf wurde das von dem beschuldigten Arzt ausgestellte Attest verlesen, in dem der Facharzt seinem Patienten bescheinigte, dass eine Maskentauglichkeit nicht sichergestellt sei.

Nachdem die Sachverhalte vorgetragen waren, fragten sich die Zuhörer, inwiefern hier denn nun ein Verbrechen stattgefunden hat. Es wäre naheliegend gewesen, dass die Richterin die Staatsanwältin auffordert, den Tatvorwurf mit weiteren Fakten zu erhärten, und das Verfahren einstellt, wenn diese dazu nicht in der Lage gewesen wäre. Aber nichts dergleichen geschah. Nach ein paar wenigen und in der Sache eher unerheblichen Nachfragen der unsicher wirkenden Staatsanwätin vertagte die Richterin das Verfahren auf den 15. August. Für diesen Termin ordnete sie die polizeiliche Vorführung des Zeugen an, der offensichtlich (nach einer zuvor glaubhaft vorgetragenern fachärztlichen Einschätzung) unter einer starken frühkindlichen Traumatisierung leidet.

Die meisten Zuschauer verließen den Saal mit Unverständnis und Kopfschütteln. Beim nächsten Termin dürfte es lediglich um eine Bestätigung des Zeugen gehen, dass er tatsächlich in der Praxis des Arztes war und untersucht wurde. Andere Strafverfahren warten derweil weiter auf ihre Bearbeitung.


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