

Während manche Bundesländer begonnen haben, mittels Untersuchungsausschüssen die eigenen Corona-Maßnahmen umfassend zu überprüfen, befasst sich die Bremer Bürgerschaft lediglich im Rahmen einer kleinen Anfrage mit diesem wichtigen Thema. Die Anfrage der Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen und die Antwort des Senats werden dabei der komplexen und für viele Menschen in Bremen und Bremerhaven sehr einschneidenden Sondersituation nicht gerecht. Die gravierenden gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der in Bremen getroffenen und durchgesetzten Maßnahmen in den Jahren 2020 bis 2023 bedürfen dringend einer weitergehenden, umfassenden und transparenten Aufarbeitung, die nur von einem Untersuchungsausschuss geleistet werden kann. Dieser sollte idealerweise durch eine breite zivilgesellschaftliche Debatte begleitet werden, die allerdings gerade in Bremen immer wieder unterdrückt wird.
Positiv hervorheben möchten wir, dass der Senat in seiner Antwort die Bedeutung von Transparenz und Wissenschaftlichkeit klar betont hat. Da die Antwort jedoch zu entscheidenden Fragen keine Zahlen, Daten und Fakten enthält, bleiben bedeutende Sachverhalte nicht nachvollziehbar und Vieles bloße Behauptung. Dadurch wirken die Ausführungen des Senats für den geneigten Leser im Moment noch wie Nebelkerzen. Die Ausführungen dienen nicht dem Verständnis und zeigen nicht das zwingende Erfordernis für die getroffenen Maßnahmen. Somit gewinnen die Bürger nicht die erhoffte Klarheit. Die versprochene Transparenz und Wissenschaftlichkeit wird in der Senatsantwort leider nicht erkennbar. Deshalb hat der Bremer Landesverband der Partei dieBasis Nachfragen an den Senat gestellt und diese auch allen Bürgerschaftsabgeordneten übermittelt, um zu verdeutlichen, was fehlt.
Dies sind die Fragen, zu denen aus unserer Sicht weitere Ausführungen erforderlich sind:
- Welche Kennzahlen (z. B. Sterbezahlen, Krankenhausbelegungen, Sterbealterveränderungen o. ä.) liegen dem Senat vor, aus denen hervorgeht, dass wir in den Jahren 2020 bis 2022 eine außergewöhnliche medizinische Notlage im Land Bremen hatten?
- Welche Verhältnismäßigkeitsprüfungen wurden beim Erlass der 120 teilweise sehr drastischen Corona- bzw. Änderungsverordnungen vorgenommen? Wie sah der jeweilige wissenschaftliche Kenntnisstand des Senats konkret aus, auf den in der Antwort auf die Kleine Anfrage Bezug genommen wird?
- Aufgrund welcher Studien, Kennzahlen o. ä. gelangte der Senat zu der Auffassung, dass der Nationale Pandemieplan (NPP), zugeschnitten auf Influenza, für Corona nicht ausreichend war? Warum waren aus Sicht des Senats wesentlich drastischere Maßnahmen erforderlich?
- Warum war das Gesundheitsamt mit seiner Fachexpertise nicht federführend für das Krisenmanagement zuständig? Worin liegt die besondere Rolle der Polizei im damaligen Krisenmanagement begründet?
- Auf welcher wissenschaftlichen Grundlage wurden die Maßnahmen im Bereich der Kinder und Jugendlichen beschlossen? Welche Verhältnismäßigkeitsprüfungen wurden durchgeführt, insbesondere im Hinblick auf psychische Folgeschäden?
- Auf welcher wissenschaftlichen Grundlage wurde die „Bremer Impfkampagne“ konzipiert? Welche Erkenntnisse lagen dem Senat vor, um Werbemaßnahmen für einen völlig neuartigen Impfstoff auch noch nach Bekanntwerden schwerster Impfschäden zu rechtfertigen? Aufgrund welcher Erkenntnisse entschied sich der Senat, massiven Druck auf die Bevölkerung in Bremen auszuüben, sich impfen zu lassen, obwohl der verfügbare Impfstoff laut Zulassungsstudie keinen Schutz gegen Übertragung, schwere Erkrankung und Tod bot?
- Wie bewertet der Senat die „Bremer Impfkampagne“ vor dem Hintergrund der Aussagen aus den RKi Protokollen:
- 16.04.2020: „Es gibt jedoch bislang keine Erfahrungen mit RNA- und DNA-Vakzinen … EMA und Pfizer 0berlegen, ob sie ggf. die Phase III Studien auslassen.“
- 27.04.2020: „Es werden mehrere Impfstoffe kommen, die im Schnelldurchgang entwickelt und geprüft wurden. Relevante Daten werden erst Post-Marketing erhoben.“
- 08.01.2021: „Impfstoffwirkung ist noch nicht bekannt. Dauer des Schutzes ist ebenfalls unbekannt.“
- Durch die Maßnahmen in den Jahren 2020 bis 2023 ist es zu erheblichen wirtschaftlichen Verwerfungen gekommen. Wie schätzt der Bremer Senat die entstandene Umverteilung von unten nach oben in dieser Zeit in Bremen ein? Wie hat sich die Armut im Land Bremen in dieser Zeit entwickelt?
- Wie hoch waren die Kosten für zuviel eingekaufte Schutzausrüstung (PSA). Wie hoch waren die Kosten für Lagerung und Entsorgung der PSA, insbesondere der Schutzmasken, für das Land Bremen?
- Das Krisenmanagement zeichnet sich nach Aussagen den Senats durch eine Vielzahl von Abstimmungsgesprächen und Videokonferenzen aus. Wie wurden die Dinge im Rahmen einer ordnungsgemäßen Amtsführung dokumentiert? Bitte legen Sie Protokolle des Bremer Krisenstabs offen.
- Das Robert-Koch-Institut wird in der Antwort des Senats häufig erwähnt. Inwieweit sind die Protokolle des RKI in die nachträgliche Bewertung des Senats eingeflossen? Der Kenntnisstand der Experten beim RKI war offensichtlich häufig ein anderer als der durch den Senat dargelegte. Wie erklärt der Senat diese Unterschiede? Welches waren die wissenschaftlichen Grundlagen der Senatsentscheidungen?
Wir hoffen, dass der Senat diese Fragen zum Anlass nimmt, deutlich zu machen, inwiefern die selbst hervorgehobenen Grundsätze der Transparenz und Wissenschaftlichkeit im Rahmen des Corona-Krisenmanagements angewendet wurden. Von den Abgeordneten der Bürgerschaft wünschen wir uns, dass sie wie ihre Kollegen in anderen Bundesländern einen Untersuchungsausschuss einrichten, der die politischen und behördlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen aufarbeitet. In Verbindung mit einer achtsamen öffentlichen Debatte könnten so wirkliche Lehren für künftige Herausforderungen gezogen werden.
Titelfoto: lil artsy, pexels.com