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Verbotene Großdemonstration — Rückblick auf den 5. Dezember 2020

Wasserwerfer aus Brandenburg auf der Bremer Bürgerweide

Von Otto Bürger

Die Ereignisse der letzten fünf Jahre waren derart vielschichtig, dass Vieles schnell in Vergessenheit gerät. Mit diesem Rückblick auf das Verbot der Großdemonstration am 5. Dezember 2020 in Bremen soll in Erinnerung gerufen werden, wie „unsere Demokratie“ funktioniert. Schließlich ist damals eine Maske gefallen, weil die Behörden und die Gerichte durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht das elementare Grundrecht auf eine friedliche Versammlung für Maßnahmenkritiker verboten hatten.

Um es vorwegzunehmen: Bremen war in den Maßnahmenjahren keine Hochburg des Widerstands. Wenn zu Demonstrationen einige hundert Teilnehmer kamen, war das viel. Dennoch hatte sich die lokale Querdenkerbewegung „querdenken421“ für den 5. Dezember 2020 viel vorgenommen. Motiviert war man sicher durch die beide Großdemonstrationen im August in Berlin und zuletzt durch die große Demonstration am 7.11.2020 in Leipzig, wo man es schaffte, sogar einen Demonstrationszug über den Ring durchzusetzen. Diese Versammlungen zeigten doch, dass der Widerstand gegen die Maßnahmen erheblich größer war, als man es in Bremen vermuten und erkennen konnte.

Unterstützt von „querdenken711“ wurde deshalb mit viel Enthusiasmus eine Großdemonstration für Frieden und Freiheit zur Adventszeit in Bremen geplant. Als hervorragend geeigneter Versammlungsort bot sich dafür die hinter dem Hauptbahnhof gelegene Bürgerweide an, die in normalen Zeiten Platz für Freilichtkonzerte mit bis zu 55.000 Menschen bietet. Das kleine Bremer Querdenken-Team legte sich mächtig ins Zeug, um die Großdemonstration zu organisieren. Eine große Bühne, Absperrungen, Gabelstapler etc. waren zu beschaffen. Als Redner hatten u. a. Michael Ballweg von “querdenken711“, der Arzt Heiko Schönig, die Journalisten und Publizisten Anselm Lenz und Hermann Ploppa zugesagt. Der damals auf vielen größeren Demos präsente Nana konnte als Moderator gewonnen werden, und auch für Livemusik war gesorgt.

Die Demonstration wurde ordnungsgemäß bei der Behörde angemeldet. Hier hatte man schon Erfahrungen von vergangenen Versammlungen gewonnen. Die Vorlage eines Hygienekonzepts war inzwischen zwingend. Die Behörde genehmigte Demonstrationen in der Zeit regelmäßig nur unter mehrseitigen und im Grunde unwürdigen Auflagen. Dazu kamen schwierige sogenannte Kooperationsgespäche mit der Versammlunsbehörde. Doch all dies nutzte nichts: Die Bremer Innenbehörde verbot die Demonstration letztlich. Damit musste in dieser Zeit gerechnet werden.

Inzwischen hatte „querdenken421“ durch die Vernetzung anwaltliche Unterstützung. Die Sache ging vor Gericht. Das Verwaltungsgericht Bremen bestätigte das Verbot des Innensenators. Langsam wurde die Zeit knapp. Beim Oberverwaltungsgericht reichte man einen Eilantrag ein. Nach wie vor war man bei „querdenken421“ optimistisch, die Anwälte argumentierten gut und schlüssig. Am Freitag bestätigte schließlich auch das Bremer Oberverwaltungsgericht das Verbot. Die Nervosität bei den Organisatoten nahm zu. Die Demonstration durfte nicht mehr beworben werden. Die Redner waren allerdings schon auf dem Weg nach Bremen, und auch die Bühne und Technik befanden sich bereits vor Ort.

Die Anwälte Däblitz und Ludwig formulierten in der Freitagnacht eine Eilverfügung für das Bundesverfassungsgericht. Die Entscheidung wurde für Samstag, den 5. Dezember, gegen 10 Uhr erwartet. Noch konnte sich niemand wirklich vorstellen, dass das Bundesverfassungsgericht das Verbot bestätigen würde. In vergangenen Verfahren (Stuttgart/Berlin) hatte dieses Gericht immer noch soviel Demokratie zugelassen und das elementare Versammlungsrecht bestätigt. Zuletzt hatte das OVG in Leipzig die Demonstration am 7.11.2020 genehmigt. Gegen Mittag lag dann die Entscheidung aus Karlruhe vor: Das oberste deutsche Gericht unter Vorsitz des ehemaligen CDU-Politikers Stephan Harbarth erklärt die Großdemonstration am 5. Dezember 2020 in Bremen für verboten. Erwartet wurden 20.000 Demonstranten in Bremen. Das war offensichtlich deutlich zuviel für den Maßnahmenstaat.

Damit hatte man bei den Querdenkern in Bremen nicht wirklich gerechnet. Alles war organisiert, und zahlreiche Demonstranten waren bereits unterwegs nach Bremen. Die Anreisenden wurden durch die Behörden auf der Autobahn bereits unmittelbar durch das Verkehrsleitsystem über das Verbot der Versammlung informiert. Auch am Hauptbahnhof erfolgten Durchsagen zum Demoverbot.

Die Polizei Bremen informierte zusätzlich via Twitter dass das Bundesverfassungsgericht das Verbot bestätigt habe. Alle Versammlungen und alle Ersatzveranstaltungen der Querdenkerbewegung blieben heute in Bremen verboten, so die Polizei weiter. Die Meldung und die Einschränkunge auf Versammlungen der Querdenkerbewegung waren korrekt. Man muss an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Versammlungsbehörden und die Gerichte die Auswirkungen von Demonstrationen auf die angebliche Infektionsgeschehen je nach Anlass und Demoauruf sehr unterschiedlich beurteilten. Die Gegendemonstrationen der systemgenehmen Gruppierungen waren deshalb auch hier in Bremen von dem Verbot ausdrücklich nicht betroffen.

Das Polizeiaufgebot an diesem Wochenende in Bremen war enorm. Wasserwerfer, unter anderem aus Brandenburg, rollten bereits am Freitag in Richtung Hansestadt. Insgesamt wurden acht Wasserwerfer an diesem Wochenende in der Stadt gesichtet. Zwei waren mit einem Räumfahrzeug direkt auf der Bürgerweide positioniert. Die anderen fanden sich etwas versteckt in entfernteren Nebenstraßen. Dazu kamen neben vielen Polizeikräften aus anderen Bundesländern auch Reiterstaffel, Hundestaffel und Polizeihubschrauber. Der Staat hatte sich rechtzeitig gewappnet, das Verbot mit aller Macht durchzusetzen.

Trotz des spät erfolgten endgültigen Verbots der Versammlung waren mehrere tausend Demonstranten am Nachmittag in der Stadt. Man verabredete sich jetzt über die bekannten Kanäle zum Spaziergang an der frischen Luft zunächst im angrenzenden Bürgerpark. Die Katz und Mausjagd mit Polizei und Gegendemonstranten begann. Der Bürgerpark war schnell voll berittener Polizei und verschiedenen Einsatzwagen mit Blaulicht. Am Himmel kreisten der Polizeihubschrauber. Dazu kamen die Gegendemonstranten. Das Ganze verlagerte sich dann in Richtung des Bremer Verkehrsknotenpunktes „Stern“. Dort traf man erneut schnell auf die Gegendemonstranten. Die Polizei räumte hier massiv mit vielen Einsstzkräften und Polizeihunden und erteilte Platzverweise.

Gegen Abend verlagerte sich das Geschehen in Richtung Innenstadt, wo ursprünglich eine weitere Versammlung unter dem Motto „Für die gesunde Zukunft unserer Kinder“ geplant war. Die Polizei untersagte dabei allen erkennbar als Querdenker eingeordneten Personen den Zugang zur Innenstadt. Als Erkennungsmerkmal dienten die weißen Querdenkerpullover oder auch nur eine Kerze oder ein Licht in der Hand. Die Innenstadt ließ sich nicht vollständig durch die Polizei abriegeln, so kam es doch zu einigen Aufläufen im Innenstadtbereich. Michael Ballweg war vor Ort und wurde von der Polizei über Stunden eingekesselt. Anderen bekannten Gesichtern, wie etwa dem Arzt Heiko Schönig, erging es nicht anders. Er wurde später sogar von der Polizei abgeführt. Dazu kamen immer wieder aggressive Gegendemonstranten. Kurz: Aus dem besinnlichen Adventssingen wurde nichts.

Die Bilanz des Tages aus Sicht der Polizei: 900 Platzverweise, 700 Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten und 70 Strafanzeigen.

Vordergründig war es für die Organisatoren kein erfolgreicher Tag. In Wahrheit aber wurde das, was der Bundespräsident inzwischen als „unsere Demokratie“ bezeichnet, spätestens am 5. Dezember in Bremen demaskiert. Demonstrationsverbote sind zutiefst undemokratisch. Das klarzustellen, war das Momentum von Bremen an diesem 5. Dezember 2020. Zwei Jahre später schreibt der promovierte Philosoph Michael Andrick in der Berliner Zeitung mit Rückblick auf die vergangenen zwei Jahre unter den Coronamaßnahmen: „War dies möglich, so ist alles möglich. Konnte so mit uns verfahren werden, so kann man beliebig mit uns umspringen. Können Panikmache, Gehorsamspropaganda und staatliche Diskriminierung bei einem Thema so widerstandsarm veranstaltet werden, dann sind sie bei jedem Thema möglich.“ Im Dezember 2020 war Widerstand in Bremen da, aber er war viel, viel zu gering. Viele Bürger in Bremen, die damals nicht maßnahmenkritsch waren, haben die Geschehnisse dieser Tage wohl bis heute nicht wirklich realisiert.

Der Kieler Psychologe Professor Rainer Mausfeld beschreibt „unsere Demokratie“ als die Entzivilisation von Macht mittels eines gezielten, lang zurückreichenden Prozesses. Das Vorgehen der Machteliten funktioniere dabei wie eine Sperrklinke. Ein Zurückdrehen ist praktisch nicht mehr möglich. Nach der Verabschiedung der Änderung des Infektionsschutzgesetz am 18. November 2020 und dem Demonstrationsverbot von Bremen am 5. Dezember 2020 hatte sich die Sperrklinke erneut deutlich zu ungunsten der Freiheits-und Bürgerrechte weiter gedreht.

Wenn in den nächsten Tagen die Kerzen an dem einen oder anderen Adventskranz entzündet werden, mag man gern einmal daran zurückdenken, dass es am 5. Dezember 2020 in Bremen verboten war, mit einer Kerze in die Innenstadt zu gehen. Vielleicht werden wir uns dabei des Wertes unserer Freiheit bewusst. Und die Erinnerung hilft gegen den medial erzeugten kollektiven Gedächtnisverlust.

Dieser Text spiegelt die Ansichten und Ziele einer Einzelperson wider. Er stellt nicht die offizielle Haltung des Landesverbands oder der Gesamtpartei dar. Sachliche Kritik und Gegenmeinungen werden an dieser Stelle gern veröffentlicht.

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